Ein Auftraggeber bat mich vor ein paar Wochen, ein Interview mit einem seiner Kunden zu führen und auf Basis dieses Interviews einen Newsletter-Text zu schreiben. Der Kunde hatte eine geschäftlich schwierige Zeit mit einbrechenden Kundenzahlen und sinkenden Umsätzen hinter sich; mein Auftrageber hatte ihn daraufhin beraten. Anschließend hatte der Kunde die Beratungsempfehlungen umgesetzt und seine Situation dadurch sehr verbessern können. Darüber wollte mein Auftraggeber nun in seinem Newsletter berichten – eine schöne Referenz für ihn.
Ich rief also bei dem Kunden an, ließ mir die Situation noch einmal aus seiner Sicht erzählen und fragte die relevanten Fakten ab. Es war ein unkompliziertes und angenehmes Gespräch. Dann schrieb ich den Text und schickte ihn meinem Interviewpartner, damit er noch einmal alles überprüfen und freigeben konnte. Reine Formsache, dachte ich.
„Das können wir doch so nicht schreiben!“
Was dann jedoch begann, war alles andere als eine reine Formsache. „Das können wir doch so nicht schreiben!“, sagte er entrüstet. Ich fiel aus allen Wolken. Genau so hatte er es mir doch erzählt – ein Problem hatte sich aufgetan, das Unternehmen hatte etwas dagegen unternommen, sich Hilfe geholt, diese Hilfe angenommen und danach war alles wieder gut. Eine wunderbare Geschichte, eine Miniversion der Heldenreise. Warum wollte er diese Version nun nicht veröffentlichen? Das Problem war: In diesem Text stand, dass das Unternehmen ein Problem gehabt hatte. Und ihm fehlte der Mut, zu sagen: Ja, wir haben Fehler gemacht und es ging uns schlecht. Ich musste den Text also noch einmal überarbeiten. Nach diversen Gesprächen, E-Mails und Überarbeitungsschleifen kam dann eine etwas andere Geschichte heraus. Diese Erfolgsgeschichte las sich so: Dem Unternehmen ging es gut, keine Probleme weit und breit, und damit es ihm noch besser ginge, ließ es sich beraten und ist seither noch erfolgreicher.
Gähn.
Ehrlicher Blick hinter die Kulissen
Unternehmenskommunikation scheut die Tatsachen oft wie ein Vampir das Sonnenlicht. Anstatt ihre Kunden und Partner mit ehrlichen und authentischen Geschichten einen Blick hinter die Kulissen werfen zu lassen und ihnen die Chance zu geben, aus den Problemen anderer etwas für sich selbst zu lernen, entwirft sie lieber ein sehr idealisiertes Bild des Unternehmens. Menschen wollen jedoch wissen, was nicht gut gelaufen ist – damit sie zum einen die Situation auf sich übertragen und Lösungen für sich selbst entwickeln können. Und damit sie zum anderen (überlebenswichtiges) Wissen aufnehmen und weitergeben können – darauf sind wir entwicklungsgeschichtlich ausgelegt. Andere Menschen müssen gewarnt werden, sonst ist das Überleben der Gruppe in Gefahr.
Echte Geschichten statt hohler Phrasen
In diesem Sinne meine Ermutigung: Geben Sie Ihren Kunden, Ihren Lesern Geschichten zu lesen oder zu hören, die auch echte Geschichten sind – keine leeren Hochglanz-Storys. Menschen wollen wissen, wo die Schwierigkeiten, die Probleme liegen und was Sie unternommen haben, um sie zu überwinden. Damit stacheln Sie nicht zuletzt die Neugier Ihrer Leser an und motivieren sie, die Geschichte bis zum Ende zu lesen. Wenn wir eine Heldin durch sämtliche Schwierigkeiten und Prüfungen hindurch begleitet haben, wollen wir auch wissen, wie das Abenteuer ausgeht. Schafft sie es, diesen verflixten Drachen aus dem Weg zu räumen? Ein weiterer Effekt echter Geschichten: Ihre Leser werden mehr davon wollen. So verankern Sie sich und Ihre Botschaften dauerhaft in den Köpfen Ihrer Kunden.
Schreiben Sie also darüber, welche Probleme sich Ihnen in den Weg geworfen haben und was Sie getan haben, um sie zu lösen. Reine Erfolgsgeschichten mit der Botschaft „Wir sind so toll, und es gibt nichts, was wir falsch machen oder was uns Probleme bereitet“ sind nicht einmal ansatzweise so spannend.
Es sei denn, es handelt sich um Katzen-Content, der geht natürlich immer. ;-)